Mit "Kleine Tricks", Andrzej Jakimowskis zweitem Spielfilm nach "Bitte
blinzeln" (2002), ist dem 45-jährigen Regisseur ein Werk gelungen, wie
es so makellos nur alle paar Jahre im Kino zu sehen ist.
Berlin -
So viel Sonne. Geradezu durchflutet scheint dieser Film von
Sonne, es wird einem so was von warm darin. Dabei hatten sie gar nicht
so viel Sonne in den sechs Sommerwochen, als sie "Kleine Tricks"
drehten, hat Andrzej Jakimowski in einem Interview gesagt. Viel Regen
dagegen, sehr viel Regen. Also Pech, eigentlich. Aber was macht das
schon, wenn ein Regisseur weiß, wie man Pech in Glück verwandelt. Und
beim Dreh die kurzen Sonnenzeiten perfekt nutzt, zumal für ihn die
erste Aufnahme einer Szene oft die beste ist.
Der Sommerdreh im schlesischen Walbrzych war 2006, folglich steht im
Abspann die Jahreszahl 2007. Für einen Titel, der neu ins Kino kommt,
wirkt das verdammt lang her. Also Pech, eigentlich. Aber wenn dann so
ein Film auf vielen Festivals seine Zuschauer verzaubert hat, dann ist
es vielleicht nicht ganz verkehrt, ihn auch dem Alltagspublikum
anzubieten. Sagte sich frohgemut der deutsche Verleih - und wagt es,
diesen Glücksbringer ins Kino zu bringen. Auch der kleine Stefek
(Damian Ul) und seine Schwester (Ewelina Walendziak) haben eigentlich
Pech. Der Vater ist so früh mit einer anderen durchgebrannt, dass sein
siebenjähriger Sohn ihn nur von einem total zerkratzten Foto kennt. Und
seine achtzehnjährige Schwester, die als Küchenhilfe in einer
Sommerkneipe jobbt, hat den Vater komplett aus ihrem Gedächtnis
gestrichen. Na ja, fast. Und die Mutter der beiden? Arbeitet den ganzen
Tag im Gemüseladen im schmutzigen Städtchen und ist darüber nach innen
hin ziemlich still geworden.
Das Leben ist also Pech, eigentlich. Mit anderen Worten: dazu da, in
Glück verwandelt zu werden. Wenn zum Beispiel auf dem Bahnhof, wo sich
Stefek gerne herumtreibt, immer ein Pendler umsteigt, der dem Mann auf
dem zerkratzten Foto verdammt ähnlich sieht, dann könnte der Versuch
einer Familienzusammenführung nicht schaden. Dafür braucht es nur ein
paar kleine Tricks: Schon überlistet man andere und, wenn man Glück
hat, das Schicksal sowieso.
Sehr viel mehr preiszugeben von dem Geschehen, das bald in einem
turbulenten, sehr sonnigen Tag kulminiert, hieße, einen Zauber zu
zerstören, der sich in "Kleine Tricks" schwerelos filmisch erzählt. Für
die Zuschauerlebensweisheit nur so viel: Es lohnt sich eindeutig schon
für Siebenjährige, in mehreren beschwerlichen Anläufen zu lernen, wie
man Tauben aus ihrem Taubenschlag lockt und zum Rundflug verleitet.
Zweitens: Daumendrücken hilft immer, auch wenn dabei buchstäblich immer
was danebengeht. Drittens: Wer gut ablenkt, stiftet Segen. Und: Es muss
nicht immer ein Ford Mustang sein, ein Dodge tut's auch. Oder war's ein
Oldsmobile?
Mit "Kleine Tricks", seinem zweiten Spielfilm nach "Bitte blinzeln"
(2002), ist dem 45-jährigen Regisseur ein Werk gelungen, wie es so
makellos nur alle paar Jahre im Kino zu sehen ist. Jakimowskis junge
Hauptdarsteller sind Laien, aber hängen mit ihrem phänomenal
natürlichen Spiel locker manchen Profi ab. Sein ärmlicher
Kleinstadt-Set könnte als perfektes Nostalgieklischee durchgehen, aber
da bringt die Story schon unaufdringlich Handys und moderne
Firmengebäude ins Bild. Hinzu kommen: die ungeheuer agile, aber nie
nervöse Kamera (Adam Bajerski), der zärtlich hingetupfte Akkordeon- und
Gitarrensound (Tomasz Gassowski), die geradezu synkopisch zwischen
Clip-Ästhetik und längeren Einstellungen changierende Montage (Cezary
Grzesiuk). Alles dient dem Ganzen und ist doch als Einzelnes stets
kristallklar präsent.
Vor allem aber: Das Idyll, das Jakimowskis Drehbuch zeichnet, ist bei
genauem Hinsehen ein bisschen hyperreal. Also selber der letzte der
zahlreichen wunderbaren Zaubertricks dieses Films, der Pech in Glück,
Melancholie in pure Freude verwandelt. Wer's glaubt, wird selig. Und
wer's nicht glaubt, auch.
Ab Donnerstag im Broadway, FT Friedrichshain und im Neuen Off; OmU im fsk und in den Hackeschen Höfen
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